Chemie

Spontane Spiralmuster im Halbleiter

Wie Chemie und Physik regelmäßige Muster auf Germanium-Chips bilden

Mikroskop-Aufnahme einer logarithmischen Spirale
Eine logarithmische Spirale mit einem Durchmesser von 500 Mikrometern, etwa halb so dick wie eine Nähnadel. © Yilin Wong

Überraschendes Phänomen: Durch Zufall haben Forschende mysteriöse Spiralmuster auf der Oberfläche von Halbleitern aus Germanium entdeckt. Die Muster entstehen bei einer ätzenden Reaktion, wobei mechanische Kräfte mit einem chemischen Katalysator zusammenwirken, wie Tests ergaben. Diese spontane Musterbildung in chemischen Feststoffen könnte künftig helfen, neue Halbleiter zu produzieren sowie andere Prozesse wie die Rissbildung in Materialien zu verstehen.

Eigentlich wollte Yilin Wong von University of California in Los Angeles (UCLA) bei ihrem Versuch eine neue Technik entwickeln, um Biomoleküle wie DNA auf einer metallischen Oberfläche zu binden. Eine der Proben ließ die Forscherin jedoch versehentlich über Nacht im Labor stehen. Am nächsten Tag bemerkte sie, dass sich auf dem mit einem Metallfilm beschichteten Germanium-Wafer winzige Punkte gebildet hatten und betrachtete diese aus Neugier unter dem Mikroskop. Dabei entdeckte sie überraschenderweise hunderte nahezu identische Spiralmuster in der Oberfläche des Halbleiters.

Mikroskop-Aufnahme einer logarithmischen Spirale in Germanium
Eine logarithmische Spirale. © Yilin Wong

Mysteriösen Mustern auf der Spur

Um herauszufinden, durch welche unbeabsichtigte chemische Reaktion diese Muster entstanden sind, wiederholten Wong und Koautor Giovanni Zocchi von der UCLA das ursprüngliche Experiment. Dabei variierten sie verschiedene Parameter, beispielsweise die Dicke und das Material des Metallfilms auf dem Germanium-Chip. In einem Ansatz bedampften sie ein rund 200 Mikrometer dickes Germanium-Plättchen mit einer vier bis 20 Nanometer dicken Chromschicht, gefolgt von einer vier Nanometer dicken Goldschicht.

Dann gaben die Forschenden einen Tropfen einer DNA-haltigen, leicht ätzenden wässrigen Lösung auf die Oberfläche und trockneten ihn über Nacht. Anschließend wuschen sie den Chip, tropften erneut die Ätzlösung auf und inkubierten ihn bis zu 48 Stunden in einer feuchten Kammer, um eine Verdunstung des Tropfens zu verhindern. Parallel untersuchten sie die vorherrschenden Prozessbedingungen auf dem Chip.

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Mikroskop-Aufnahme eines lotusförmigen Musters in Germanium
Ein lotusförmiges Muster in Germanium mit einem Durchmesser von etwa 2.000 Mikrometern. © Yilin Wong

Wachsende Ätzmuster

Unter dem Mikroskop zeigte sich, dass auf dem Germanium je nach Parametern verschiedene Muster entstehen können, darunter archimedische Spiralen, logarithmische Spiralen, Lotusblütenformen und radialsymmetrische Muster. „Die Grundmuster gehen immer von einer zentralen ‚Ätzgrube‘ aus und wachsen nach außen“, berichten die Forschenden. Die Muster werden dabei mit der Zeit immer größer, wie das Team feststellte.

„Spätere Experimente zeigten, dass die Anwesenheit von DNA für die Bildung der Muster nicht zwingend erforderlich ist“, schreiben Wong und Zocchi. „DNA scheint den Ätzprozess jedoch zu beschleunigen.“ Die Analysen ergaben zudem, dass die Chrom- und Goldfilme bei der Reaktion unter Druck standen und sich vom Germanium ablösten. Daraus resultierte eine Eigenspannung in dem Material, die Falten und Rillen in der auf dem Halbleiter liegenden Metallschicht erzeugte.

Kombi-Prozess aus Chemie und Physik

Wong und Zocchi schließen daraus, dass die Muster durch eine Kombination aus zwei Prozessen zustande kommen: einer spontanen chemischen Reaktion und mechanischen Kräften. Dabei kommt es zu einer ätzenden Redoxreaktion, die chemisch durch den Metallfilm und physikalisch durch den Druck und die Spannung katalysiert wird. In der Folge bildet sich Germaniumoxid und verformt die Grenzfläche zwischen Germanium und den Metallen Chrom und Gold. Die DNA wirkt dabei lediglich als beschleunigendes Reduktionsmittel.

„Die Muster entstehen durch ein komplexes Zusammenspiel von Festkörpermechanik, chemischen Reaktionen und Diffusion (der Ätzlösung)“, schreibt das Team. „Das System bildet im Grunde einen Elektrolytkondensator“, erklärt Zocchi. Je nach Materialmischung und Ausgangszustand des Metalls entstehen dabei unterschiedliche Muster. „Die Dicke der Metallschicht, der Anfangszustand der mechanischen Belastung der Probe und die Zusammensetzung der Ätzlösung spielen alle eine Rolle bei der Bestimmung der Art des Musters, das sich entwickelt“, so Zocchi.

Mikroskop-Aufnahme zweier logarithmischer Spiralen in Germanium
Zwei logarithmische Spiralen in Germanium, jeweils mit einem Durchmesser von 260 Mikrometern, mit einer zentralen Ätzgrube in Form einer umgekehrten Pyramide. © Yilin Wong

Bestätigung von Turings Theorie

Diese Art der chemisch-physikalischen Kopplung bei Feststoffen ist im Labor ungewöhnlich und bislang kaum erforscht, in der Natur jedoch üblich und allgegenwärtig, wie das Team erklärt. Beispielsweise katalysieren Enzyme in der Natur verschiedene Stoffwechselreaktionen. Die Lebewesen wachsen dadurch, wobei sich ihre Zellen und Gewebe verformen und Muster bilden können.

Dass auch chemische Systeme Muster bilden können, ist nicht grundsätzlich neu. Bereits 1951 entdeckte der Chemiker Boris Belousov zufällig ein chemisches System, das spontan in der Zeit oszillieren kann. Zur gleichen Zeit entdeckte der Mathematiker Alan Turing unabhängig davon, dass biochemische „Reaktions-Diffusions-Systeme“ spontan Streifen- oder Tupfenmuster im Raum bilden können. Einige der Reaktions-Diffusions-Dynamiken und Muster, die Wong und Zocchi in ihren Versuchen beobachtet haben, spiegeln die von Turing postulierte Theorie nun experimentell wider.

Neue Methode für die Muster- und Materialforschung

Die Wong-Zocchi-Methode stellt einen großen Fortschritt dar, weil sie es erstmals seit den 1950er Jahren ermöglicht, die chemische Musterbildung auf neuartige und zugleich einfache Weise experimentell zu untersuchen. „Unsere Entdeckung gibt uns ein nicht-lebendes Laborsystem, in dem wir diese Art der Kopplung und ihre unglaubliche Fähigkeit zur Musterbildung untersuchen können“, sagt Zocchi.

Davon könnte nun die Entwicklung und Herstellung von neuen Halbleitern profitieren. Von den Versuchen erhoffen sich die Wissenschaftler auch neue Erkenntnisse über andere natürliche Prozesse – etwa zur Korrosions- und Rissbildung in Materialien. (Physical Review Materials, 2025; doi: 10.1103/PhysRevMaterials.9.035201)

Quelle: University of California – Los Angeles

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